Scharnweber: Kannibalismus, Tötungsdelikte und ein Justizskandal

19,98
Preis inkl. MwSt., zzgl. Versand

 

Das Buch, das geistig Interessierte aus Neugierde und empfindsame Gemüter der Alpträume wegen nicht schlafen lässt.
 
Wer mehr wissen will über Menschen, die Menschen verspeisen, über die Hintergründe, über die Psychologie und Gedankenwelt, über Rechtliches und Rechtsprechung sowie über alles, was mit diesem Themenkomplex sonst noch zu tun hat, für den dürfte dieses Werk, das den Kannibalismus unter Erwähnung nahezu aller weltweit bekannt gewordenen herausragenden Kannibalismusfälle systematisch untersucht, das wichtigste sein, das er jemals gelesen haben wird.
 
Hans-Uwe Scharnweber, Jahrgang 1941, ist Historiker, war Studienrat und Fachlehrer für Politik und nach einem Zweitstudium Volljurist und Strafverteidiger. Der sich um unser Gemeinwesen sorgende Staatsbürger Scharnweber verfasste Bücher und Zeitschriftenartikel, in denen er prononciert Stellung bezieht.

Das Buch, das geistig Interessierte aus Neugierde und empfindsame Gemüter der Alpträume wegen nicht schlafen lässt.

Wer mehr wissen will über Menschen, die Menschen verspeisen, über die Hintergründe, über die Psychologie und Gedankenwelt, über Rechtliches und Rechtsprechung sowie über alles, was mit diesem Themenkomplex sonst noch zu tun hat, für den dürfte dieses Werk, das den Kannibalismus unter Erwähnung nahezu aller weltweit bekannt gewordenen herausragenden Kannibalismusfälle systematisch untersucht, das wichtigste sein, das er jemals gelesen haben wird.

Scharnweber_athenemedia

Hans-Uwe Scharnweber, Jahrgang 1941, ist Historiker, war Studienrat und Fachlehrer für Politik und nach einem Zweitstudium Volljurist und Strafverteidiger. Der sich um unser Gemeinwesen sorgende Staatsbürger Scharnweber verfasste Bücher und Zeitschriftenartikel, in denen er prononciert Stellung bezieht.

 

Hans-Uwe Scharnweber: Kannibalismus, Tötungsdelikte und ein Justizskandal, Athene Media Verlag, ca. 690 Seiten, Broschur, Euro 19,98 ISBN 978-3-86992-082-5

Titelbild zum Download (300 dpi)

Leseprobe:

 

Geleitwort

Im Jahr 2001 hatte sich im hessischen Rotenburg ein Fall von "Liebeskannibalismus" zugetragen, der die Republik ob seiner grausigen Details erschütterte. Die strafgerichtliche Behandlung dieses Falles, also die vom Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht abgesegnete Verurteilung wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe, nennt Hans-Uwe Scharnweber schon im Titel seines Buches einen "Justizskandal". Nicht nur mit diesem Etikett, sondern in vielen Passagen seines Buches ist die echte Empörung des Autors und Strafverteidigers über die mit dem Fall betrauten Strafrichter und Verfassungsrichter zu spüren. Und sich zu empören, wird ja derzeit nachdrücklich als Tugend gepriesen (Stéphane Hessel).

Nur erscheint das Urteil des Landgerichts Frankfurt, womit es gegen den so genannten "Kannibalen von Rotenburg" (M.) lebenslange Freiheitsstrafe verhängte, so gar nicht geeignet, als ein gutes Objekt berechtigter Empörung zu dienen. Für eine abscheuliche Tat, die ihresgleichen sucht, so werden viele denken, hat der Täter genau die Strafe erhalten, die angemessen ist. Dagegen meint Scharnweber, nicht nur die Angemessenheit des "Lebenslänglich" bestreiten, sondern das Urteil auch noch für skandalös erklären zu müssen. Warum nur?

Er hatte seinerzeit als erster in der Literatur dafür plädiert, die Tat des "Kannibalen" als "Tötung auf Verlangen" zu bestrafen, wofür dann als Höchststrafe Freiheitsstrafe von »nur« fünf Jahren zulässig gewesen wäre. Mit diesem Buch bekräftigt Scharnweber seinen Standpunkt, der meines Erachtens nach wie vor überzeugt. Man darf sich von den abscheulichen Begleitumständen der Tötungstat nicht den Blick trüben lassen für die richtige strafrechtliche Würdigung des Falles. Es ist, sagt Peter Noll, die Aufgabe der Justiz, "kühl zu bleiben und zu differenzieren auch da, wo die Menge der Fernsehzuschauer, die Menge der Gedankenlosen, heiße Urteile und pauschale Verdammungen verlangt". Und die pauschale Verdammung aller "Kannibalismustötun­gen" als höchststrafwürdig ist bei näherem Hinsehen nicht richtig. Dass Differenzierung nötig ist, legt schon ein deutscher Vergleichsfall nahe: Im zweiten Fall von Kannibalismustötung erstach der Berliner Täter sein ihm wehrlos ausgeliefertes Opfer heimtückisch und also gegen dessen Willen. Ganz anders liegt der Rotenburger Fall: M. hatte sich dem Willen seines Opfers vollständig untergeordnet, die Handlungsweise komplett mit ihm abgestimmt und ihm nach Zufügung der Genitalwunde angeboten, einen Arzt zu rufen – was das Opfer untersagte. Wenn bei dieser Sachlage im Berliner Fall elfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängt worden sind (bei Zuerkennung von psychisch geminderter Schuldfähigkeit) und im Rotenburger lebenslange Freiheitsstrafe, dann ist zwar differenziert worden, aber in einer Weise, die die Dinge auf den Kopf stellt. Zumindest erhebliche Zweifel an der Höchststrafwürdigkeit sind also am Platze.

Die Zweifel erhalten Nahrung, wenn man eine Stellungnahme Arthur Kreuzers auf sich wirken lässt: Das erste Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs mute an, "wie ein einseitiges Plädoyer, das alles zuungunsten des Angeklagten Sprechende“ hervorhebe und „alles in die Gegenrichtung Weisende" übergehe.

Scharnweber vermeidet jede Pauschalität und legt eine differenzierende Lösung vor. Seine Einstufung der Rotenburger Tat als "Tötung auf Verlangen" ist auch bei verfassungsrechtlicher Betrachtung zwingend, wenn man sich – was für den Strafrichter selbstverständlich sein sollte – an die begrenzenden Vorgaben des Gesetzgebers hält. "Der Gesetzgeber" hatte recht klare Vorstellungen davon, für welche Fälle die Privilegierung der Tötung auf Verlangen eingreifen sollte, nämlich dann, wenn "der Täter ohne das Verlangen nicht zur Tötung geschritten wäre". Die Feststellungen des Landgerichts Frankfurt schildern genau diese Umstände: "die Einwilligung des Opfers", so heißt es im Urteil, sei für M. "Voraussetzung" und "notwendige Bedingung" gewesen. Dennoch erlaubt sich das Gericht, den Willen des Gesetzgebers zu missachten. Warum sich die Strafrichter dazu berechtigt dünken, erfährt der Leser des Urteils nicht. Nicht einmal der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht rügen dieses Vorgehen. Auch diese Gerichte machen sich nicht die Mühe, den Gesetzgeberwillen zu berücksichtigen, im Gegenteil hat der Bundesgerichtshof durch seine Vorgaben das Landgericht zu dieser Sicht gedrängt. Da ist Empörung vielleicht am Ende doch geboten. Man stelle sich vor, man werde wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 5.000 € verurteilt, obwohl sich klar nachweisen lässt, dass der Gesetzgeber diesen Fall nicht als Steuerhinterziehung angesehen hat und ihn nicht bestraft wissen wollte! Die Empörung des Verurteilten wäre immens. Vokabeln wie "Richterwillkür", "Unrechtsstaat" und "Bananenrepublik" lägen in der Luft. Um wie viel empörender ist es dann, wenn die Missachtung des Gesetzgeberwillens den Unterschied ausmacht zwischen fünf Jahren und lebenslänglicher Freiheitsstrafe? Aber auf allzu viel Mitleid darf der Verurteilte nicht hoffen – bei dieser Tat.

Genau da sitzt ein Problem: Was uns die angemessene Beurteilung von Tötungsakten und das Erkennen unverhältnismäßiger Bestrafung erschwert, ist der Umstand, dass beinahe jede Tötungstat – bei ab­strakter Betrachtung – mit lebenslanger Freiheitsstrafe noch "angemessen" abgegolten zu sein scheint. Eine Kindstötung kurz nach der Geburt etwa werden viele als besonders verachtenswert einstufen. Wie kann eine Mutter so etwas tun? Das eigene Kind! Doch werden solche Taten in Deutschland in der Regel mit Freiheitsstrafe zwischen vier und sieben Jahren bestraft. Wäre, abstrakt gefragt, auch lebenslängliche Freiheitsstrafe noch "angemessen"? Ja, vielleicht (Auge um Auge...). Nicht aber in einer Rechtsordnung, die für solche und vergleichbare Tötungstaten deutlich weniger Strafe verhängt. Mit anderen Worten: Die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit einer Strafe muss innerhalb des praktizierten Strafsystems und vorrangig unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes beurteilt werden. Will man dem Fall gerecht werden, darf man nicht nur bei ihm und seinen Abscheulichkeiten verharren, sondern muss andere Tötungstaten vergleichend heranziehen. Und da haben, wie der Autor eindringlich offenlegt, die Gerichte zum Teil versagt.

Das Gebot, selbst Tötungstaten in einem System abgestufter strafrechtlicher Sanktionen zu verhandeln, erfordert es, das Phänomen der Kannibalismus-Tötungen aufzufächern und zu systematisieren. Scharnweber unterzieht sich dieser Mühe und fragt nach stimmiger Systematisierung. Seine Antworten reichen in ihrer Bedeutung freilich über die Kannibalen-Fälle hinaus. Sie weisen den Leser unter anderem darauf hin, dass der Gesetzgeber sich nun doch endlich mal aufraffen sollte, die Tötungstatbestände des Strafgesetzbuchs zu reformieren, wie es die Strafrechtswissenschaft dutzendfach eingefordert hat.

Wenn Scharnweber das Phänomen des Kannibalismus auch im langen ersten Kapitel seines Buches insgesamt ausleuchtet, so steht am Ende doch der Rotenburger Fall ganz im Mittelpunkt seiner dogmatischen Betrachtungen. Und das ist berechtigt. Denn der Fall ist ein Lehrstück für die Systematik der Tötungsdelikte – und für die Fehlbarkeit unserer Rechtsprechung. Man könne, so habe ich mich mal zum Fall geäußert, »nicht verdrängen«, dass M. »mit der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe Unrecht widerfahren« sei. Scharnwebers Buch, in dem er, wie er selbst sagt, »unsere höchstrichterliche Rechtsprechung durchaus scharf attackiert«, hat meinen Eindruck vertieft. Seine Argumente sollten zur Kenntnis genommen werden.

 

Jörg Scheinfeld

 

Einordnung und Abgrenzung des Themas

1. Kannibalismus als Phänomen der

Menschheitsgeschichte

 

Kannibalismus in seines Wortes ursprünglicher Bedeutung als Verzehr von Artgenossen unter Menschen hat es nach der weit überwiegenden Mehrheitsmeinung der Forscher im Verlauf der Menschheitsgeschichte in den verschiedensten Erscheinungsformen und aus den unterschiedlichsten Gründen heraus schon immer und zu allen Zeiten gegeben. "Menschen sind leicht zu fangen, und es gibt sie in rauen Mengen", wurde in einer Sendung von ARTE ein Kannibale zitiert.

In der Pyramide des Unas (~ 2380 - 2347 v.Chr.), des letzten Herrschers der 5. Dynastie im Alten Reich Ägyptens, finden sich mit den dortigen "Pyramidentexten" über die Himmelfahrt des Unas die ältesten überlieferten magisch-religiösen Texte der Menschheitsge­schichte – in denen u.a. als "Kannibalen-Spruch" geschildert wird, wie Unas sich durch Verschlingen der Himmelbewohner deren magische Kräfte aneigne: "Dies ist Unas, der 'Stier' des Himmels, Ungeduld im Herzen, der vom Wesen aller Götter lebt, indem er ihre Eingeweide auffrißt, wenn sie zaubererfüllt aus der 'Flammeninsel' kommen. … Dies ist Unas, der Menschen frißt und von Göttern lebt, … Chons ist es, der die 'Herren' niedermetzelt und für Unas schächtet, der ihm herausnimmt, was in ihrem Leib ist. Der Bote ist es, den er ausgesandt hat, um zu strafen. Schesemu ist es, der sie für Unas schlachtet, der ihm ein Mahl aus ihnen kocht auf seinen abendländischen Feuerstelen. Dies ist Unas, der ihre Zauber aufißt, der ihre Zaubermacht verschlingt. Ihre Großen sind für sein Frühstück, ihre Mittleren für sein Abendbrot, ihre Kleinen für sein Nachtmahl, und ihre Greise und Greisinnen für seinen Räuchertopf. Der Größte (Stern) des Nordhimmels zündet ihm die Flamme an unter den Kesseln, die sie enthalten, mit den Schenkeln ihrer Ältesten. … Denn Unas ist die größte Macht, ist der Allermächtigste. Unas ist ein Götterbild, das Bild der Bilder des 'Größten' (Gottes). Wen er findet auf seinem Weg, den frißt er auf Stück für Stück. … Unas nährt sich von den Lungen der Wissenden, er findet Gefallen daran, von Herzen zu leben und von ihren Zaubern dazu. … Die Würde des Unas kann ihm nicht fortgenommen werden, denn er hat sich die Weisheit jeglichen Gottes einverleibt."

Die lebensnahe Schilderung des Kannibalismus in dieser Him­melsfahrt hat einige Forscher vermuten lassen, dass Kannibalismus bis zumindest kurz vor der Zeit des Unas geübte Praxis gewesen sein müsse – was andere wiederum bestreiten.

In der Pyramide Tetis‘ II. (2318 - 2300 v. Chr.), dem mit einer Tochter des Unas verheirateten Begründers der 6. Dynastie, wird für diesen Herrscher in dessen Pyramide eine entsprechende Schilderung wiederholt.

 

Freud gründete auf die Vermutung, dass es Kannibalismus schon immer gegeben habe, einen Teil der von ihm entwickelten Psychoanalyse. Er meinte bei der Entwicklung des Menschen eine erste "prägenitale Sexualorganisation" in seinem Triebkonzept von Nahrungsaufnahme, Aggression und Sexualität ausmachen zu können, die er als "die orale, oder, wenn wir wollen, kannibalische"[1] Phase bezeichnete, weil das Kind die Mutter über deren Brustnahrung in sich aufnehmen wolle.

Auch der Vater wird in seinen Überlegungen und Schriften ("Totem und Tabu") kannibalisch archetypisch im menschlichen Unbewussten in das Werden, Wachsen und Vergehen eingeordnet: In der Urhorde hätten die Söhne den Vater erschlagen, den sie dann auch verzehrt hätten: "Daß sie den Getöteten auch verzehrten, ist für den kannibalischen Wilden selbstverständlich. Der gewalttätige Urvater war gewiß das beneidete und gefürchtete Vorbild eines jeden aus der Brüderschar gewesen. Nun setzten sie im Akte des Verzehrens die Identifizierung mit ihm durch, eigneten sich ein jeder ein Stück seiner Stärke an. Die Totemmahlzeit wäre Wiederholung und Gedenkfeier dieser Tat."[2]

Laut Freud seien diese (behaupteten) archaischen Verhaltensweisen in dem modernen Menschen (angeblich) immer noch latent vorhanden und nur von einer Zivilisationskruste überdeckt. "Dem Kannibalismus wird somit eine frühe Entwicklungsstufe der menschlichen Spezies zugewiesen, es wird aber auch festgehalten, daß er latent immer noch in jedem einzelnen wie in der Gesellschaft existiert. Wenn man auch noch Jungs Theorien einbezieht, könnte man behaupten, daß dem Kannibalismus gewisse archetypische Qualitäten zukommen, was dann auch erklärt, warum er als Phänomen nicht räumlich und historisch fixiert werden kann, und zusätzlich, woher seine anhaltende Faszination auf Literaten und Künstler rührt. Das kann ja keineswegs allein mit der zweifellos vorherrschenden Freude an der Bürgerschreckattitüde gedeutet werden."[3]

Kafka, der den "Kronos, der seine Söhne auffraß", als den "ehrlichsten Vater" bezeichnete, hätte "geradezu lehrbuchmäßig Freuds Theorien bestätigt": "Aus seinen Tagebüchern und Briefen geht hervor, daß er seine Kehlkopftuberkulose, die ihn gleichsam von innen her auffraß, als eine Form von Autokannibalismus erfuhr."[4]

Das alles mag man, ohne sich zu tief in die Psychoanalyse auch noch heutiger Ausprägung und Verarbeitung (bei u. a. Eli Sagan, Elias Canetti: "Alles, was gegessen wird, ist Gegenstand der Macht.", Claude Lévi-Strauss, Dietmar Kamper, Jacques Lacan, …) zu verirren, so glauben und so sehen – oder auch nicht.

"Auf jeden Fall ist das Thema 'Menschenfresser' ein vielschichtiges und vielseitiges Thema, das mit Naserümpfen oder Abwehrreaktionen des Ekels abzutun falsch wäre. Die Beschäftigung mit ihm wirft erhellendes Licht auf die uralte und stets neue Frage: Was ist der Mensch."[5] Dieser Überzeugung ist jedenfalls Thomsen und hat darum Jahre seines Wissenschaftlerlebens der Erforschung des literarischen Kannibalismus gewidmet.

 

In dieser juristischen Arbeit kann und muss das durch den weltbekannt gewordenen Kriminalfall des "Kannibalen von Rotenburg" angeregte Thema selbstverständlich schwerpunktmäßig unter juristischem Aspekt behandelt werden – ohne dass dabei der Anspruch erhoben wird, "erhellendes Licht auf die uralte und stets neue Frage [zu werfen]: Was ist der Mensch".

Und des Weiteren muss gefragt werden: Wie ist in diesem herausragend ungewöhnlichen Fall Schuld konkret zu bemessen?

Es stellt sich somit auch in diesem Fall die – jedem Strafprozess immanente grundsätzliche – Frage: Was ist in diesem (Ausnahme-) Fall konkretisierte Gerechtigkeit?

Kaiser gibt in seiner "Kriminologie" an (S. 24), in der Strafrechtswissenschaft herrsche tendenziell "Meinungsdenken", in der Kriminologie hingegen "Erfahrungsdenken". Jedoch würden sich Kriminologen und Strafrechtler darin treffen, als "Sozialverteidigung" normwidriges "menschliches Verhalten gerecht regulieren zu wollen". Diesem gemeinsamen Ziel von Strafrechtlern und Kriminologen dient diese im ersten Teil kriminologische, in ihren weiteren Ausführungen und in ihrer Argumentation weit überwiegend jedoch strafjuristisch-dogmatische Arbeit, deren Autor sich nicht damit abfinden kann und mag und daher deutlich machen will, dass nach hier vertretener, von allerdings nur einer Mindermeinung der Strafrechtler und nur dem nachdenklichen Teil der seriösen Presse geteilter Ansicht in diesem Ausnahmefall das strafjuristische Instrumentarium von unseren obersten Gerichten missbraucht wurde, um menschliches Fehlverhalten in der gewollten Zielrichtung mit für den bezweckten Strafausspruch – lebenslanges Wegsperren im normalen Strafvollzug eines auch nach seiner (ersten) Tat tendenziell als weiterhin gefährlich eingestuften Menschen – »passend gedachten« Sach­ver­halts­annahmen und Strafnormen zu »prokrustieren«, statt einen seelisch kranken Menschen, der von sich sagt, dass er "schon mit zwölf Jahren voll ausgebildeter Kannibale gewesen" sei, in dem Maßregelvollzug unterzubringen: meinetwegen sogar wirklich l‑e‑b‑e‑n‑s‑l‑a‑n‑g. Aber statt den unstreitig seelisch Schwerstkranken dort zu therapieren – ob erfolgreich oder vielleicht sogar eher nicht, da die paraphilen Vorstellungen des "Kannibalen von Rotenburg" in über 30 Jahren zuletzt täglicher virtueller Praxis möglicherweise schon zu verfestigt sind, sei dahingestellt –, wurde er für sein (Fehl-)Verhal­ten, das dem Unrechtsgehalt einer in § 216 StGB geregelten "Tötung auf Verlangen" zumindest sehr angenähert war, mit dem "gefährlichen Werkzeug" Strafrecht von seinen Richtern niedergemacht und auf die sittlich (vor)letzte (gerade noch oberhalb der, ein "Mörder" zu sein, der mit seiner Mordtat eine "besondere Schwere der Schuld" auf sich geladen hat) Stufe gezerrt, auf die nach unserem Strafrecht nur ein psychisch gesunder Mensch gestellt werden kann, obwohl der "Kannibale von Rotenburg" – wenn wir für die nachfolgend zunächst nur ganz kurz angerissene Begründung an dieser Stelle von Schuld­unfähigkeitsgesichtspunkten einmal absehen – wegen der unbezweifelbar einverständlichen, das Lebensrecht seines tatanstiftend, tatermöglichend und tatfördernd tätig gewordenen Opfers nicht negiert habenden Tötung eines ganz gewiss nicht sein kann: ein "Mörder".

Es wird in dieser Arbeit darüber hinaus auch deutlich werden, was der Mensch früher teilweise war und auch heute immer noch sein kann: ein oftmals nur durch die – in Deutschland erst Ende des 19. Jahrhunderts prinzipiell errichtete[6] – stärkste Tabu-Schranke unserer Gesellschaft gebändigter Kannibale, dem zur »gerechten« Beurteilung seines Handelns auch und gerade dann anwaltliche Hilfe zuteil werden muss, wenn er diese Tabu-Schranke durchbrochen hat.

 

Kannibalismus wird es wohl immer wieder geben: Für diese Vermutung sprechen neben einzelnen Individuen mit paraphilen Neigungen u. a. auch immer wieder aufbrechende fanatisch geführte Kriege, in denen dem Gegner, um ihn zu dämonisieren, Kannibalismus nicht nur unterstellt worden ist; für diese Vermutung sprechen auch die Kriege, die (nicht nur) in Afrika u. a. unter Einsatz von tatsächlich vollzogenem Kannibalismus geführt worden waren und dort auch noch so geführt werden, wenn Kannibalismus aus psychologischen Gründen heraus als »Waffe« eingesetzt wird, indem man entweder selbst Gegner auffrisst und dadurch anderen androht, dass ihnen Gleiches geschehen könne, oder indem man einen Unterlegenen zwingt, Kannibalismus an den eigenen Stammesmitgliedern zu begehen, um ihn psychisch zu »brechen«.

 

2. Kannibalismusvorwurf als abgrenzende Metapher

 

"Kannibalismus" war von alters her – wohl meist nur als völlig unbewiesener infamer Vorwurf – überall eine abgrenzende Metapher für sich selbst und die als »dazugehörig« Empfundenen gegen das als nicht dazugehörig und deswegen missgünstig oder abschätzig Betrachtete, das Andere, das Fremde, das als bedrohlich empfundene Unbekannte, das daher Ängstigende, das auf das Äußerste Abstoßende, insbesondere dann, wenn im europäischen, vorderasiatischen und ägyptischen Kulturraum von dem Verzehr von Verwandten – als Gipfel dessen: vom Verzehr der eigenen Kinder – berichtet wurde. Es war das Barbarische, von dem man sich mit großem Grausen abgrenzte, das die in diese verachtenswerte Gruppe Eingeordneten außerhalb der eigenen Zivilisation(sstufe) stellte.

Viele Europäer – die zum Teil ohne Bedenken bis ans Ende des 19. Jahrhunderts selber medizinisch indizierten Kannibalismus betrieben haben, der für sie eine völlig andere Qualität gehabt haben muss als der »normale«, – glaubten, solange ihnen entsprechende Randgebiete ihres Wissenshorizontes unbekannt waren, an einen "kannibalischen Äquatorialgürtel", unterhalb dessen die (nicht nur) bei ihnen Grauen erregende Leidenschaft gepflegt werde.

Aber nicht nur weit entfernt lebende Völker wurden des Kannibalismus verdächtigt, sondern auch direkt zu dem eigenen Volk in feindlicher direkter Nachbarschaft lebende Grenzvölker: Kriegschroniken dienten über die Jahrtausende der Diffamierung des Gegners. Zur Rechtfertigung des eigenen Handelns wurde dabei dem jeweiligen Gegner ohne Bedenken Kannibalismus unter­stellt. So konnte aus der geographischen Grenze ohne Weiteres eine geistige Grenzziehung werden, wobei man sich zur diffamierenden Abgrenzung gegen das Nicht-Gewollte manchmal eben auch des Kannibalismus-Vorwurfs bediente. Insbesondere beim Aufeinanderprallen von Kulturen mit voneinander verschiedenen, zueinander in Frontstellung stehenden Religionen und Wertesystemen wurde oft der Kannibalismus-Vorwurf aus Xenophobie oder zur ideologisch rechtfertigenden Begründung von angestrebten Verfolgungen erhoben.

Es erstaunt aber doch zu lesen, dass der SPIEGEL am 28.09.10 berichtete, dass einem anlässlich des 20. Jahrestages der Wiederkehr der deutschen Einheit im Auftrag des SPIEGEL eine Wanderung entlang der ehemaligen Grenze unternehmenden "Team West" von einem Ehepaar Kohl, das nach 1989 mit seinen Kindern aus der DDR weg und nach Hessen gezogen war, berichtet worden sei, dass "den Kindern der Kohls im Osten Schauergeschichten erzählt [worden seien]: Wessis würden sie fressen."[7] Sie sollten daher, wenn ihnen ihr Leben lieb sei, in der DDR bleiben.

Leider wird nicht berichtet, wie jung die Kinder gewesen waren, als sie wegen des Entschlusses ihrer Eltern, Ostdeutschland zu verlassen, von geistig hoffentlich nur unbedarften Ostdeutschen mit dem Kannibalismusvor­wurf gegenüber Westdeutschen als größtmöglichem Diffamierungscode geängstigt wurden. Aber für die hier unterbreitete Argumentation genügt es zu wissen, dass selbst noch nach 1989 in Deutschland von vermutlich ideologisch verblendeten Erwachsenen gegenüber wohl noch recht kleinen Kindern der Kannibalis­mus­vorwurf als größtmöglicher Diffamierungscode gegenüber den Menschen aus einem anderen Gesellschaftssystem als dem, in dem die die Westdeutschen diffamierenden Ostdeutschen groß geworden waren und sich vermutlich ganz passabel eingerichtet hatten, verwandt wurde, obwohl den Diffamierenden aus dem Fernsehen die Gewinnung eines anderen Bildes von den Leuten im Westen Deutschlands möglich gewesen war, da fast die gesamte DDR-Bevölkerung West-Sender gesehen hatte.

 

Viele (und meist nicht nur die analphabetischen mittelalterlichen und früh-neuzeitlichen) Europäer und, wie der später noch genauer abgehandelte Fall der "Essex" zeigte, daher dann auch in die USA ausgewanderte Europäer und ihre Nachfahren als US-Amerikaner glaubten den Kannibalismus nicht nur an dem ihnen unvorstellbar weit entfernten Rand der ihnen sehr oft nur vom Hören-Sagen sehr schemenhaft bekannten Weltgegenden praktiziert.

 

Viele Europäer glaubten nicht nur in früher Zeit, Kannibalismus nicht nur in weit entfernten Ländern anderer Kontinente oder auch auf ihrem eigenen Erdteil, sondern auch in ihrem eigenen Land ausmachen zu können, wenn es um Abgrenzung gegen das unverstandene Andere oder das vehement zutiefst Abgelehnte ging: "Das Klischee der rituellen Ermordung kleiner Kinder wird bereits von den römischen Offizialen gegen die ersten Christen benutzt. Diese verwenden es gegen die Juden, bevor sie es gegen die Häretiker und schließlich gegen die Hexen einsetzen. … Um ihre Unterdrückung zu legitimieren, werden die 'Ketzer' vor der Öffentlichkeit in den schwärzesten Farben dargestellt. Man sagt ihnen Teufelsanbetung, das Verfluchen der christlichen Religion, das Abhalten schwarzer Messen, das Begehen ritueller Morde, Kannibalismus und sexuelle Promiskuität nach."[8]

"Das Bild der Hexen, der Frauen, die sich nachts in einen Raubvogel verwandeln, während des Fluges furchterregende Schreie ausstoßen, in die Häuser einbrechen und die kleinen Kinder auffressen, bildet einen … wichtigen Bestandteil des Hexenmythos. Diese Legende besteht seit der Antike, sowohl in der römischen Literatur als auch in der germanischen Mythologie."[9] "Mit dem Hexensabbat als Hauptbestandteil ihres Glaubens erscheinen die Hexen im Mittelalter als Anhänger einer Antireligion, der des Teufels. … Die neuen Anhän­ger werden getauft, opfern Kinder, die Frucht ihres Verkehrs mit den Dämonen, und verzehren sie anschließend während eines Festmahls."[10]

 

Die kannibalische Ritualmordlegende wurde in der Antike von Heiden gegenüber anderen Heiden, gegenüber Juden und gegenüber der um gesellschaftliche Respektierung und Anerkennung kämpfenden Minderheit der Christen erhoben.

Jahrhunderte später, nachdem sich in Europa das Christentum durchgesetzt hatte, ab dem Hochmittelalter, wurde die kannibalische Ritualmord-/"Blutanklage" von Christen gegenüber insbesondere der in Europa lebenden Minderheit der Juden erhoben und vielerorts mit diesem Totschlagargument im (un-)juristischen Schnellverfahren des Lynchmordes dann auch praktiziert.

Wie wohltuend hob sich da doch das Christentum gegenüber dem des kannibalischen Ritualmordes verdächtigten Judentum ab, da man in seinen eigenen Reihen unter den Heiligen sogar einen »Anti-Kannibalen« wusste und verehrte, schließlich hatte doch der als Kinderfreund bekanntgewordene und bis heute verehrte Hl. Nikolaus als Bischof von Myra (jetzt Derme), als ein niederträchtiger Wirt ihm das eingepökelte Fleisch dreier von dem Wirt erschlagener und anschließend verarbeiteter Knaben/Studenten vorgesetzt hatte, nach einer Lesart der anfangs als tatsächliches Geschehen geglaubten Legende nach Information über die Herkunft des Fleisches durch einen Engel den Wirt gewürgt und eine Kellertreppe runtergeworfen, ihn so zu einem Geständnis seiner grausigen Tat gezwungen, nach dem Geständnis die Leichenteile aus dem Salzfass herausgeangelt und die drei Jungen wieder zusammengesetzt. So handelte – insbesondere entgegen den am häufigsten diffamierten Juden – ein wahrer Christ!

Nicht ganz passt allerdings zu einem solchen Wohltäter der Menschen und insbesondere der Kinder, dass er (ab dem Spätmittelalter) als seinen Gegenpart in seiner Begleitung einen solchen Raubauz wie den Knecht Ruprecht in seiner ursprünglichen Deutung duldete, dessen Gestalt – insbesondere in den katholischen Teilen Deutschlands – nicht nur als relativ harmloser Kinderschreck, sondern teilweise als "Kinderfresser", ja sogar als Beelzebub oder einfach Teufel gesehen und benannt wurde. Dazu heißt es bei Wikipedia: "Der Kinderfresser, oftmals auch in Begleitung einer Butzenbercht, drohte den unfrommen Kindern in grausamen Versen, sie mitzunehmen, aufzuschlitzen, bis aufs Blut auszupeitschen oder gar aufzufressen" (bis sich dann irgendwann später beide Gestalten, die des gütigen St. Nikolaus und die seines teilweise ausgesprochen grausam interpretierten Knechtes Ruprecht, zu einer sowohl belohnenden wie auch bestrafenden Gestalt miteinander vermischten).

 

Die kannibalische Ritualmordlegende wurde über die gleich noch genauer dargestellte Diffamierung der Juden hinaus von der katholischen Kirche römischer Provenienz auch gegenüber den zeitweilig sich bildenden Häretikergruppen, gegenüber dazu erklärten Hexen und Heiden, noch wieder später laut der Theologischen Realenzyklopädie von Katholiken ebenfalls gegenüber Protestanten und Freimaurern und umgekehrt von Puritanern ihrerseits gegenüber Katholiken zu diffamierenden Propagandazwecken missbraucht.

Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Ritualmordlegende säkularisiert bei Kriegen von europäischen Völkern untereinander zur Dämonisierung des jeweiligen Gegners erhoben.

Die Nazis verwandten die Ritualmordlegende in ihrem Hetzorgan "Der Stürmer" gegenüber den Juden, um in der deutschen Bevölkerung ihre These von dem von ihnen propagierten "Untermenschentum" der Juden zu verbreiten, was dann wegen der geistigen Tradition der Judendiffamierung insbesondere bei katholisch geprägter Bevölkerung des In- und Auslandes, gemeint ist damit insbesondere Polen, auf einen fruchtbaren Boden gefallen war, so dass Prozesse und Lynchmorde, in Polen auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg, wegen angeblich begangener Ritualmorde abgehalten worden waren.

 

 

 

 

 

3.  Kannibalische Ritualmordvorwürfe als Mittel

diffamierender Ausgrenzung gegenüber »Hexen« und

Juden als Randgruppen der christlichen Gesellschaft

 

In Europa hat nicht so sehr der in Hungersnöten wie dem Dreißigjährigen Krieg mehr oder minder aber wohl eher vereinzelt tatsächlich verübte Kannibalismus eine Rolle gespielt. Viel bedeutender und verhängnisvoller waren in der europäischen und insbesondere der deutschen Geschichte die aus Gründen der diffamierenden Ausgrenzung erhobenen unhaltbaren Kannibalismus-Vorwürfe gegenüber Randgruppen der Gesellschaft.

 

3.1 Kannibalische Ritualmordvorwürfe gegenüber »Hexen«

 

Schon in vorchristlicher Zeit gab es bei germanischen Stämmen wie den Franken, Alemannen und Langobarden die abergläubische Vorstellung, "… daß manche Frauen 'Striges', Hexengeister seien, die … sich zu kannibalischen Festen träfen."[11]

Die Inquisition folterte dann Jahrhunderte später die Geständnisse aus ihren Opfern, den angeblichen, ihr entweder durch böswillige Verleumdung oder durch Folter bekannt gewordenen »Zauberern« und »Hexen« heraus, dass sie Heil- und Zaubersalben unter Verwendung von Babyblut und Menschenfett hergestellt hätten. Und die wenigen, die die Qualen ausgehalten und nicht gestanden hatten, waren natürlich hinreichend verdächtig, Schadenabwehrmittel benutzt zu haben, die, so (aber-)glaubte man, von »Zauberern« oder »Hexen« aus menschlichen Körperteilen hergestellt worden seien: Wie hätten die Malträtierten sonst den Qualen der Folter, die fast jeden brachen und sie so »geständig« machten, widerstehen können?

Für die Christen des Mittelalters waren Hexenglauben und Judenfeindlichkeit vielfältig miteinander verwoben: Das den Hexen unterstellte Zusammentreffen mit Satan und seinen Unterteufeln am "Hexensabbat" – in latinisierter Form: "Synagoga diabolica" – freitags Abend vor dem Beginn des Sabbats, macht die implizit enthaltene antijüdische Stoßrichtung des Kannibalismus­vorwurfs der Christen deutlich, ein Vorwurf, der sich außer der ausgrenzenden Diffamierung von ehemals dem Christentum zugehörig anerkannten, nunmehr aber als "Hexen" verleumdeten Frauen dann auch und insbesondere gegen »die Juden« richtete, die wie die (angeblichen) Hexen "verteufelt" wurden.

 

[1] Freud, S.: "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie", gesammelte Werke Bd. V., S. 98; zitiert nach: Thomsen, C. W.: "Menschenfresser", Wien 1983, S. 111

[2] Thomsen, C. W.: "Menschenfresser", Wien 1983, S. 113

[3] Thomsen, C. W.: "Menschenfresser", Wien 1983, S. 114

[4] Thomsen, C. W.: "Menschenfresser", Wien 1983, S. 114

[5] A. a. O., S.   17

[6] Kannibalismus war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts – worauf an späterer Stelle noch näher eingegangen werden wird – in seiner Form als "medizinischer Kannibalismus" – hauptsächlich zur Nutzbarmachung von durch Unglücksfälle oder Hinrichtungen nicht bis zum natürlichen Tod ausgeschöpfter "Lebensenergie", aber auch zur Herstellung ganz »normaler« Medikamente – in ganz Europa ohne jegliche Tabugrenze allgemein verbreitet. So applizierte sich der britische König Karl II. täglich die aus verflüssigtem menschlichem Hirn hergestellten "Tropfen des Königs". In allen Apotheken gab es Medikamente und Salben, die – je nach Krankheit – aus bestimmten Teilen des menschlichen Körpers gewonnen und ohne jegliches Bedenken von ausgebildeten und promovierten Ärzten verschrieben und angewandt wurden.

[8] Sallmann, J.-M.: "Hexensabbat", Reihe "Abenteuer Geschichte", Ravensburg 1991, S. 24

Ähnlich sieht Greenwood, S.: "Hexen im Mittelalter", Fränkisch-Crumbach, 2005, S. 100 die Übertragung der zunächst gegen die Ketzer gerichteten Feindbilder und diffamierenden, den Angegriffenen außerhalb der Gemeinschaft der rechtgläubigen Christen stellenden Vorwürfe dann später auf »die Hexen« und »Hexer«.

"Die Mythen, die die Kirche um die Ketzer schuf, breiteten sich auch auf die Hexenverfolgung aus, zum Beispiel der Vorwurf des Kinderfressens."

[9] Sallmann, J.-M.: "Hexensabbat", Reihe "Abenteuer Geschichte", Ravensburg 1991, S. 27; so auch Bihlmeyer, K.: "Kirchengeschichte II, das Mittelalter, Paderborn" 151948, S. 502:

"Der Hexenwahn des Mittelalters ist ein Erbstück aus dem römischen und germanischen Heidentum, ein Rückfall in eine primitive, vorchristliche Denkweise über die dämonische Welt."

[10] Sallmann, J.-M.: "Hexensabbat", Reihe "Abenteuer Geschichte", Ravensburg 1991, S. 27; so auch Bihlmeyer, K.: "Kirchengeschichte II, das Mittelalter, Paderborn" 151948, S. 31

[11] Thomsen, C. W.: "Menschenfresser", Wien 1983, S. 42

 

©2011-2020

Zubehör

Produkt Hinweis Preis
Hans-Uwe Scharnweber:  Prostatakrebs Hans-Uwe Scharnweber: Prostatakrebs
14,98 € *
Die Welt als Wille  und Vorstellung, gebunden, 449 S. Die Welt als Wille und Vorstellung, gebunden, 449 S.
23,98 € *
* Preise inkl. MwSt., zzgl. Versand
Details zum Zubehör anzeigen

Auch diese Kategorien durchsuchen: Politik, Wirtschaft & Gesellschaft, Startseite - Verlag