Uhlmann: Mein Name ist Lily - Schläger Lily

16,98
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Ein reizendes Kerlchen und 19 selbstständige Kurzgeschichten voll fröhlicher Lebensweisheiten Ein gewöhnlicher Hund? Ein außergewöhnlicher Hund! Ein Mix natürlich, bisschen klein geraten, aber extravagant. Wie alle Mischlinge. Die Gene des unbekannten Vaters rumoren in seinem Blut: ein Entlebucher, von den Römerheeren vor 2000 Jahren aus dem tibetischen Hochgebirge entführt. Eine Streitmacht brauchte schließlich intelligente Marschierer, die die mitgeführten Nahrungs-Herden bewachten. Da musste ein Hund schon mal zuschlagen können! Fehlt – wie heute in den meisten Fällen – die Herde, heißt es Katzen, Gartenharken und Plastikflaschen zu verprügeln, Besen wie Ventilatorflügel über dem Kopf kreisen zu lassen, Zäune aus dem Weg zu räumen (zumindest symbolisch), perfekt mit schweren Bällen umzugehen ...

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Klaus-Dieter Uhlmann, geb. in Berlin, verheiratet, lebt in Birkenstein (Hoppegarten b. Berlin), ist von Haus aus Meteorologe, später studierte er Journalistik, war stellvertretender Chefredakteur des überregionalen Senders Berliner Rundfunk und ist Autor von zahlreichen literarischen Features im Hörfunk und Sendereihen im Deutschlandradio, von Reportagen und Reisebeschreibungen für die Sender Freies Berlin und Rias, anschließend für das Deutschlandradio Kultur sowie namhafte Magazine und Zeitungen wie „Lenz“ oder die „Berliner Zeitung“.

 

Klaus-Dieter Uhlmann: Mein Name ist Lily - Schläger Lily, € 16,98, ISBN 978-3-86992-093-1

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Leseprobe:

PROLOG

 

„Vor langer Zeit, in einer fernen Galaxis ...“

 

 

Fast unmerklich verändert das Gedächtnis die Prioritäten unseres Daseins. Obwohl das Gedächtnis bekanntlich uns selbst gehört, können wir nichts dagegen tun. Mitunter genügt bereits der winzige Moment einer Begegnung, eines Blicks oder eines Geruchs, um ein Erlebnis, das Lichtjahre zurückzuliegen scheint und in einer anderen Galaxis stattgefunden haben musste und nichts, aber auch gar nichts mit diesem heutigen Moment zu tun hatte, wieder an die Oberfläche unseres Bewusstseins zu spülen. Plötzlich erleben wir das gleiche Glück, das gleiche Leid der Vergangenheit, als sei es soeben, in diesem Augenblick, über uns gekommen.

 

 *

 

Es war eine Woche vor Weihnachten, als „Socke“, unser großer, sanftmütiger Hunde-Mix starb.

Ich weiß nicht, von welchen Ahnen sie das all zu schwache Herz erbte, das sie schon mit zehn Jahren nicht mehr am Leben halten konnte. Dabei hatten wir uns – Socke und ich – rechtzeitig, vor Monaten schon, darauf verständigt, ihr Lieblingsspiel – einem unansehnlichen roten Ball hinterher zu jagen – jüngeren Jahrgängen zu überlassen; zu schwer ging im Herbst ihrer Tage der Atem, bis sie an einem trüben Novembernachmittag beim Anblick ihres Balls in meiner Hand nur noch müde mit den großen braunen Augen blinzelte. Ein Spiel wurde Erinnerung.

Wir ließen es.

Obwohl ich sicher bin: Mir zuliebe hätte sich Socke auch noch einmal zu einem vollen Lauf überreden lassen. Und sich schon in den Zeiten der herbstlichen Nebel als Engel verabschiedet ... So aber gerannen ihr noch einige Wochen des Abschieds, und erst später, vor dem Fest, an einem Sonntagnachmittag, als meine Frau und ich gemeinsam Kaffee tranken, legte sie sich zum letzten Mal in ihre Lieblingsecke; und während ich ihr voll Trauer im Herzen Mut für den unwiderruflichen Weg zusprach und sie streichelte, jammerte sie plötzlich schrill auf und streckte die Pfoten aus. Verzweifelt plapperten wir noch mit ihr, als sie schon längst tot war und sich das gläserne Gallert ihrer Augen im Erkalten kräuselte.

 Weihnachten schien also wenigstens in diesem Jahr ein Fest der Besinnung zu werden; wir trauerten. Ich holte eine schwarze Locke hervor, die ich der toten Freundin vor ihrer letztmaligen Autofahrt abgeschnitten hatte, und schob sie ins Innere eines kleinen Geisterhäuschens, das mich seit einer meiner Reisen nach Südostasien begleitete; man konnte ja nie wissen ... Wenn schon nicht Socke, vielleicht half es ja mir.

Da uns die Verblichene über die Feiertage tatsächlich allgegenwärtig blieb – „sie hätte sich über die Extrawurst bestimmt gefreut“ – sprachen wir in der folgenden magischen Weihnachtswoche, die nicht nur Glück, sondern auch gelebten Tageskummer auf die folgenden zwölf Monate projizieren sollte, Sockes Namen nicht mehr aus. Sicher war sicher. Nur am Neujahrsmorgen bemerkte meine Frau einmal nebenbei, dass dem armen Hund diesmal wenigstens das schreckliche Feuerwerk erspart geblieben sei. „Recht hast du“, sagte ich, und hängte das schönste Foto der Dahingeschiedenen an die Wand im Flur. Mit viel Himmel darüber.

Mitte Januar fiel das Bild von der Wand.

„Ein schlechtes Zeichen“, befand meine Frau, und ich dachte sofort an die Rumänenbande, die seit einiger Zeit Ausschau nach leicht erreichbarer Unterhaltungselektronik hielt.

„Außerdem“, fügte sie hinzu und betrachtete den schon etwas abwesend wirkenden Blick Sockes auf dem Bild, „sollten wir sowieso nicht all zu lange warten, wenn wir uns für einen neuen Hund entschieden. Man wird so leicht abstinent.“

Ein neuer Hund.

Ein neuer Hund?

Die Einlassung war nicht von der Hand zu weisen; ich spürte sie schon, die „neue Freiheit“, die aus der endgültigen Abwesenheit meiner vierbeinigen Freundin erwuchs.

Zehn Jahre lang hatte ich den Terminkalender unseres Nachbarn wahrscheinlich besser gekannt, als er selbst, legte Absprachen in einer Redaktion auf Tage oder Stunden, in denen er sich als guter Geist Sockes annehmen konnte. Und stand wieder einmal eine Arbeitsreise in die Tropen ins Haus, mussten regelrechte Netzwerke entwickelt werden, um tagsüber die Betreuung durch Freunde der Familie abzusichern.

Und jetzt ein neuer Hund ...? Vor allem: Was würde sie von mir denken...

Ich blickte misstrauisch in den vernebelten Himmel, über den graue Wolkenpakete lustlos dahintrieben.

„Warten wir auf den Sommer“, sagte ich.

Die Wintermonate nach Sockes Tod waren weiterhin eine verregnete laue Angelegenheit. Anfangs stand der hilfreiche Nachbar noch tatenlos am Zaun herum, als könne er sein Glück nicht fassen, dann wuchs auch der Verbindungsweg zwischen unseren beiden Gärten zu. Wir meldeten uns bei Freunden zurück, die uns Jahre lang nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, blätterten unbeschwert in Theater- und Kinoprogrammen, und während der Nieselwinter allmählich in einen Schmuddel-frühling überging, holte ich einige notwendige Arbeitsbesuche in den Tropen nach. Die neuen Eindrücke verdrängten langsam die Trauer um einen Hund...

Bis eben zu jenem Tag, Anfang Mai, als ich von einem längeren Aufenthalt auf den Philippinen nach Hause zurückkehrte, meine Frau mit ihrer Freundin verreist fand und unser Haus mich tot und staubig anstarrte. Unvermutet war es auch in Deutschland für zwei, drei Tage vorsommerlich heiß geworden; neben dem Steinweg wucherte frühzeitig das Unkraut, der Rasen schien über sich selbst hinaus zu wachsen, keine festgetretene Schneise erinnerte mehr an die vier Hundepfoten, die hier – auf der lustvollen Jagd nach dem Ball – entlang galoppiert waren. In einer glücklicheren Zeit.

Es war alles sehr leise.

Trotz der Belastungen des Fluges schlief ich in der ersten Nacht schlecht, wachte alle Stunde auf, schlug den Fensterflügel im ersten Stock zurück und horchte in die Dunkelheit. Nur der milde Wind raschelte in den Blättern der Hecke unter mir, und wenn ich einmal hüstelte, blitzten aus irgendeiner Ecke des Gartens zwei oder vier silberne Lichtpunkte auf, Wunderkerzen – die Augen der Katzen des Nachbarn, die sich scharf auf die Quelle des störenden Geräuschs richteten und wieder verloschen. Noch keine Gefahr, kein neuer Hund.

 Am nächsten Morgen suchte ich im Autoatlas die Adresse eines städtischen Tierheims in M. heraus, frühstückte hastig und fuhr in den Sommertag hinein; vielleicht, so hoffte ich, einem neuen Hundefreund entgegen.

 

 

 

 

 

Hundshütten

 

 

Wäre ich der Urvater aller Hunde und sorgte mich um die Bequemlichkeit meiner Nachfahren, würden mir die meisten zweckdienlichen Erfindungen nur so aus der Pfote fließen:

Als erstes ließe ich mir natürlich gut gesiebten feinen Sand patentieren – von ausreichender Schichtdicke, versteht sich –, in dem sich bereits nach zwei Rotationen meines hübschen Körpers eine warme, weiche Kuhle herstellen ließe. Stünde mir der Sinn eher nach einer stabilen Höhle, gehörte auf die Liste ein gut abgestandener, also bereits duftender Komposthaufen, dessen Erde wahlweise mit den Vorder- oder Hinterläufen bearbeitet werden könnte. Die Flächenmaße sollten großzügig gehandhabt werden, a) um Platz für das Vergraben von Keksen und Knochen zu schaffen und b), um die unvermeidlichen Reste der Verdauung geruchssicher unterzubringen.

Zusätzliche Konstruktionselemente wie Kohlstrünke und frische Kartoffelschalen im Außenbereich des Haufens würde ich später auf einer Erfindermesse oder durch meine Enkelwelpen bei „Jugend forscht“ unterbringen. Auch daran hatte man als prähistorischer Hund wahrscheinlich zu denken!

Nicht zuletzt fänden in meinen Überlegungen die Konsequenzen Beachtung, die sich aus dem Eigentum an Krallen ergäben, einer besonders pfiffigen Apparatur unseres Körpers. Leider können wir sie – im Gegensatz zu den Mördergangs der Katzen – nicht einziehen, sodass ich elastische, krallenfreundliche Grasflächen in der Patentschrift verankern müsste.

Als Urvater aller Hunde wäre mir selbstverständlich geläufig, dass unsere Rasse um die Berührung mit der menschlichen Fremdkultur, die einige meiner Erfindungen konterkarieren würde, nicht in jedem Fall herumkäme. Allerdings hätte dieser Zwangsanschluss auch Vorteile; dürfte doch die Hoffnung nicht ganz unbegründet sein, dass uns Hunden – ohne eigene Erfindertätigkeit! – zumindest genügend Holzmöbel für die Krallenpflege und griffige, gut zerbeißbare Ruhedecken kostenlos zur Verfügung gestellt würden.....

Man ahnt es schon – es würde eine lange, eine ruhmvolle Patentliste werden.

Eines aber, weiß ich, würde ich bestimmt nicht erfinden: Beton.

 

 *

 

Den Tierheim-Komplex von M., den man auf einem hurtig ansteigenden, ziemlich kahl geschorenen Hügel errichtet hatte, fand ich – wie so oft bei anderen Unternehmungen – nicht eher als nach Ausschöpfung aller verfügbaren Umwege. Auf eigentümliche Weise, schien mir, hatte die Landschaft auch diesen Hoffnungsträger der Vierbeiner verschluckt. Doch endlich, wie Schiffe, die über den Meereshorizont steigen, tauchten am Ende einer unverdächtigen Nebenstraße zunächst die Oberkante, dann Bauch und Fuß eines mehrere hundert Meter langen Bollwerks aus Beton auf, dessen rechtwinklige Spitze, breit geklopft durch ein vier Meter breites Stahlgitter, scharf auf den anreisenden Besucher zielte.

Dem Stadtführer nach zu urteilen, sollte dies ein Tierheim sein.

Irgendwie, fand ich, wirkte das Entree entsetzlich feierlich; wie die Ruhestätte toter Soldaten.

Oder der Eingang zu einem Hochsicherheitstrakt.

 Erst, als ich die von schwerer Hand im Vorfeld der Bastion ausgestreuten Betonwürfel und Steinsärge hinter mir gelassen hatte, gaben mir blaue, gelbe und grüne Plastikhunde neben dem Eingangsspalt ins Heim die beruhigende Gewissheit, dass ich angekommen war.

 Doch auch nach der Passage des Gitterwerks wollte sich der beklemmende Eindruck zunächst nicht recht verflüchtigen. Sieht man einmal davon ab, dass die innere Seite der Mauer aus unerklärlichen Gründen dem Modell eines der hoch gelegten Umflutkanäle an der Elbe ähnelte und sich das eigentlich dazu gehörige Wasser nicht in der ausgeformten Betonwanne dieses Umfluters, sondern daneben, in einem sauber ausgeschnittenen Bassin befand, ließ ich also diese Nebensächlichkeit wirklich einmal beiseite, so hätte ich doch gern gewusst, weshalb das Wasser dieses kleinen Seestücks auf der gegenüberliegenden Seite erneut gegen eine Betonmauer plätschern musste. Die nun war zur Abwechslung als großer Rundbogen angelegt, und man konnte sich erneut durch einen Spalt im Steinwerk weiter ins ebenfalls rundliche Innere der Anlage vorarbeiten. Irgendwie war ich in eine Art russischer „Matrjoschka“ – eine Puppe in der anderen – geraten: durch welchen nächsten Betonspalt man auch trat – stets fand man einen neuen, kleineren Rundbau vor.

Da ich bei der letzten Passage zufällig an einer äußeren Arena herauskam, die an das freie Feld grenzte, bot sich meinen Augen das ganze Ensemble dieser doch sehr bemerkenswerten Anlage dar: Mein Blick irrte ungläubig über eine Ansammlung überdimensionierter Rotunden, die – soweit ich mich eines Bilderbuchs aus Kindertagen entsann – flachen mongolischen Festzelten – oder war es der Dorfzirkus? – ähnelten. Nur, dass sie eben nicht aus flauschigem Gewebe, sondern aus grauen dicken Betonwänden bestanden. Da es aus ihnen heraus bellte, mussten das die Wohnstätten der Hunde sein. Allerdings, so mutmaßte ich, hatte der Architekt bei diesem Ausbruch der Moderne wohl weniger die Mongolen, als vielmehr den Roulette-Teller eines Spielkasinos im Sinn gehabt. Jedes Zahlenfach des Tellers bedeutete hier eine Hundeadresse auf Zeit, vergittert, betoniert und nach oben – ebenfalls hübsch rund geschliffen – für alle Wetter offen; nur im Hintergrund jedes Zwingers schwang leise eine Klappe aus Aluminium oder Plastik in den Angeln – der Einsprung in einen überdachten inneren Rundlauf der Rotunde, der allen Vierbeinern – falls sie denn bei ihren Artgenossen gelitten waren – als Fluchtweg aus ihren Steinschachteln offen stand. Einige Hunde setzten wie aufgezogen hindurch, mit der Nase voran, hinein, hinaus, hinein, hinaus ... Das Herz des Roulettes bebte vom grimmigen vielstimmigen Gekläff der besten Freunde des Menschen.

 Ich umwanderte eine Rotunde nach der anderen; nicht alle Boxen waren besetzt. In einigen waren Mitarbeiter dabei, Kotreste mit einem scharfen Wasserstrahl von den harten bräunlichen Fliesen zu spülen; in anderen verrichteten die Vierbeiner gerade ihr Geschäft, hielten vergeblich Ausschau nach einer freundlichen Grasnabe oder hoben die Nase, um wenigstens den Duft von Erde, der durch die Außengitter herein geweht wurde, aufzusaugen. Nur wenige sprangen beim Anblick von Besuchern gegen die Gitter oder pressten ihre Flanken an das Metall, um sich liebkosen zu lassen. Den teils schon angegrauten Bärten nach zu urteilen, hatte eine größere Anzahl Hunde ohnehin den Zenit des Lebens überschritten; oftmals tigerten sie lustlos durch die Schachtel, wobei ihre Krallen ein misstönendes Kratzen und Scharren verursachten. Viele der größeren Exemplare aber lagen nur lethargisch auf dem heißen Belag, umschwirrt von Fliegen, die Wasser und ein der Hitze geschuldeter Fäkaliengeruch angelockt hatte.

Ich hielt das eingebaute Thermometer meiner Armbanduhr für einen Moment in die Sonne: 42 Grad.

 *

 

In der zentralen Arena des Tierasyls stieß ich auf ein Vermittlungsbüro. Als niemand mein Klopfen zu beachten schien, drückte ich zögernd die Tür auf. Drei Leute vom Pflegepersonal hockten auf Stühlen, einem Tisch und einem niedrigen Regal und starrten mich unzufrieden an. Kunden waren nicht zu sehen.

„Sie haben doch geöffnet“, sagte ich möglichst freundlich, weil ich mich nicht nach der Weisung eines Schilds gerichtet hatte, vor der Tür auf irgendeinen Pfleger zu warten, der möglicherweise herauskommen würde.

„Ja, ja“, antwortete eine Frau in Grün, „was möchten Sie denn?“

„Einen Hund!“

„Welchen?“

Ich zuckte die Schultern. „Die Rasse ist mir eigentlich egal, aber einige Hunde in den Boxen scheinen mir recht betagt zu sein ..., ich meine für einen neuen Hund.“

„Richtig“, sagte die Frau, „aber Sie sind ja auch nicht mehr der Jüngste.“

„Zwei, drei komplette Hundeleben habe ich jedenfalls noch vor mir; mindestens“, hielt ich ihr, leicht beleidigt, entgegen, noch etwas verdutzt über die unerwartete Ansprache.

„Mag sein“, räumte die Frau ein und musterte mich. „Aber wenn Sie zunehmend älter werden, und das werden Sie!, stellt sich doch mal dieses oder jenes Zipperlein ein. Ein kleiner Hund kann schließlich 16, 17 Jahre alt werden. Und was machen Sie dann?“

„Was heißt, was machen Sie dann?“

„Nur so“, bemerkte die Frau. „Sind Sie allein?“

„Nein, verheiratet.“

„Und Ihre Frau ist noch gut zu Fuß?“

„Und wie!“

„Was macht sie denn, wenn die Frage gestattet ist?“

„Ist es eigentlich nicht ...; sie arbeitet, hat Sinti, Roma, Asiaten, Araber und geflohene Afrikaner in ihrer Obhut. Ein Heim.“

„Asylbewerber?“

„Und Obdachlose.“

„Ach herjeh“, sagte die Frau beeindruckt. „Da bring’ ich lieber Katzen und Hunde über die Runden. Also, was möchten Sie?“

„Einen jungen Hund, einen Welpen“, sagte ich zögernd. „Oder auch einen älteren Hund“, fügte ich in Gedanken hinzu; wenn man nur wüsste, wie’s um sein Herz bestellt war. In meinem Garten würde er jedenfalls keinen Ball vorfinden. Vorläufig.

„Ach herjeh“, sagte die Frau zum zweiten Mal. „Einen jungen Hund! So was haben wir kaum, und wenn, sind die teuer. Nehmen Sie lieber einen alten Hund. Sicher, in den schaut man nicht hinein, aber schließlich haben Sie den auch nicht so lange. Doch selbst ein älterer Hund ...“ Sie überlegte einen Augenblick: „Wenn Sie sich, Sie und Ihre Frau, nur mal angenommen, aus Krankheitsgründen nicht um den Hund kümmern könnten – was machen Sie dann?“

„Dann versorgt unser Nachbar das Tier. Und der ist noch“ – ich betonte das „noch“ – „jünger als ich.“

„Na, schau’n wir mal“, murmelte die Frau, und die anderen Grünen nickten wichtig. „Bringen Sie also sowohl Ihre Frau als auch Ihren Nachbarn mit hier her, zu mir. Und ich möchte von allen den Ausweis sehen. Von allen! Sonst noch etwas?“

 

Nein, sonst war nichts mehr. Ich haderte mit mir und dachte an die traurigen Augen der Pinscher, Schäferhunde und Dackel in den Betonschachteln. Vielleicht hätte ich mich ja auch einem der erfahrenen Vierbeiner anvertraut ... Und ich war mit den Gedanken bei den unsichtbaren Junghunden hinter den Mauern des Asyls.

Bei uns würde wohl keiner von ihnen ein neues Zuhause finden.

Es gab andere Tierheime. Mit genau so verwunschenen Hundeaugen.

 

 *

4

 „Boss, rück mal ein bisschen.“

Der blond gelockte Retriever lümmelte im Büroraum des Tierheims von W. auf einem angebissenen grauen Sofa und baumelte mit den Vorderpfoten über der Lehne. Der Hund warf der Tierpflegerin einen kurzen Blick zu, schnaufte unzufrieden und zog die Hinterpfoten ein.

„Hab Dich nicht so“, redete ich ihm zu und ließ mich vorsichtig in die Polster fallen. Im letzten Augenblick faltete das Tier seinen Schwanz zusammen und breitete ihn über die dicken Schenkel.

„Ihrer?“, fragte ich.

Die junge Frau lachte. „Nicht eigentlich; er gehört zum „Personal“, zum Büropersonal. Er bewacht es; genauer gesagt: Er bewacht meine Chefin, ich vertrete sie heute nur. Aber er ist trotzdem natürlich mein Liebling. Es ist wie bei den Menschen: Ich kannte ihn schon, als er gerade mal ein paar Minuten alt war. Da passte er allerdings in meine Hand.“

Sie streckte die Hand aus, damit ich in Ruhe einen Vergleich zum Untier neben mir ziehen konnte. Es war eine große, von der Arbeit bereits etwas rissige Hand.

Der Liebling gähnte herausfordernd.

„Sie hatten also schon einen Hund in der Familie“, stellte sie fest, um das Gespräch in Schwung zu bringen.

„Ja. Und kurz vor Weihnachten, letztes Jahr, hat er, besser: sie, das Zeitliche gesegnet.“

 Ich schaute durch das Fenster in den trüben Frühsommerhimmel; das Wetter hatte eine Kehrtwende vollzogen; die flüchtige Hitze der vergangenen Tage schien ein Versehen gewesen zu sein. Erst kurz vor meiner Ankunft in W., eine Autostunde von der Stadt entfernt, hatte der Regen endlich eine Pause eingelegt. Neben dem Waldweg, der die Herberge mit dem Straßennetz verband, waren mir Mitarbeiter des Tierheims und – wahrscheinlich – ehrenamtliche Paten von Hunden entgegen gekommen, die ihre Tiere an der langen Leine laufen ließen – Hunde aller möglichen Rassen und Temperamente, die im Unterholz stöberten, Tauben und Krähen verbellten oder schon alle fünfzig Meter eine Pause im nassen Moos einlegten. Kleinere Exemplare badeten mit Hingabe in einem trüben Rinnsal, das der Regen hinterlassen hatte.

Das Heim selbst hatte sich als ein aufgelockertes Ensemble flacher Häuschen und Freigehege erwiesen, einige mit geschnitzten Holzbohlen verkleidet, andere mir Miniatur-Mühlen und Bachlandschaften aus der Disneykultur dekoriert. Den Hunden schien diese Inneneinrichtung zu behagen; kleine energische Terrier tobten im Sand ihrer Gehege, jagten sich wechselseitig von den Dächern ihrer Spielzeughütten und bellten voller Inbrunst jedem vorbei kommenden Besucher hinterher. Größere Rassen, einzeln oder zu zweit, lagen schlafend im Gras oder unterhielten sich lautstark mit den Nachbarn.

Das Gewirr der Wege zwischen den Wohnstätten der Hunde, teils mit Blumenrabatten, teils mit Ziersträuchern aufgelockert, schien sich allerdings fest in der Hand eines halben Hunderts frei lebender Pensionsgäste zu befinden. Wohin ich auch den Blick gewandt hatte – stets waren mir die aufmerksamen Augen irgendeines Katzentiers begegnet; für mich geradezu ein Déjà-vu-Erlebnis. Mangel an Zeitvertreib war hier ganz offensichtlich kein Thema; vor allem „Hundeprovozieren“ stand hoch im Kurs, indem die Katzen mit steif gerecktem Schwanz und möglichst in Kontakt mit dem Gehege-Zaun an den Insassen vorbei schlenderten. Der Erfolg war jedoch nur mäßig. Lediglich Neuankömmlinge unter den Hunden regten sich noch eine Zeit lang auf, dann nickten auch sie beim Anblick einer Katze gelangweilt ein.

„Ein bisschen vom Paradies haben Sie hier“, sagte ich und wandte mich vom Fenster ab. „Es fehlt nur der Familienanschluss.“

„Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Hund.“

Endlich wollte jemand alles über „Socke“ wissen ...

Der Retriever schlief ein.

 

„Sie wollen also wieder einen Welpen?“, fragte die Pflegerin nach einiger Zeit.

„Ja.“ Ich nickte.

Der dicke Hund neben mir legte sich auf den Rücken und begann zu schnarchen.

„Am besten einen Mix.“

„Gut, kommen Sie, ich zeige Ihnen eine richtig liebe Hundemutter, eine werdende ...“

Sie erhob sich; der Retriever fuhr mit einem Ruck auf, bohrte seine Hinterpfoten in mein Knie und hechtete unerwartet elegant vom Sofa.

„Du doch nicht, Boss.“ Der Hund knurrte enttäuscht.

„Schon gut, Alter“, brummte ich und erhob mich ebenfalls.

Vor der Tür wartete eine schwarz-weiße Katze auf uns.

„Sie soll angeblich „Selma“ heißen“, sagte die Pflegerin und kraulte die Katze hinter den Ohren, „aber sie hört nicht auf diesen Namen; vielleicht meint sie auch nur, es stehe uns nicht zu, sie mit dem gleichen Namen zu belegen wie der alte Herr, der sie hier abgeben musste. Er ging in ein Heim; Haustiere waren dort nicht erwünscht.“

„Wartet sie des Öfteren hier?“

„Sie wartet immer vor der Tür, wenn das Büro Besuch bekommt. Aber niemand nimmt sie mit, nach Haus, an einen warmen Ofen. Sie schmust gern.“

Die Schmusekatze strich um unsere Füße, setzte sich dann zur Seite und wartete.

„Sie ahnt, dass der Besuch auch diesmal nicht ihr gilt. Jetzt versucht sie heraus zu bekommen, welches Haus unser Ziel sein könnte.“

„Und was hat sie davon?“, erkundigte ich mich.

„Keine Ahnung. Aber wenn sie´s heraus bekommen hat, schreitet sie wie eine Führungskatze vor der Menschengruppe her und liefert sie am Zielort ab. Vielleicht fühlt sie sich unterfordert und braucht eine im Katzensinne sinnvolle Aufgabe. Oder sie fürchtet einfach, ihre Menschen zu verlieren.“

„Und wenn sie falsch rät?“

„Ja, wenn ...“; die Pflegerin amüsierte sich und schaute zur Katze hinüber, die jetzt unschlüssig hin und her lief, weil es nicht losging.

„Dann ist sie sichtlich verwirrt; kommt aber selten vor. Wenn es sich machen lässt, helfe ich ihr aus der Verlegenheit und folge mit den Gästen dem vorgeschlagenen Weg. Dann ist sie glücklich. Einen kleinen Umweg kann man dafür schon mal in Kauf nehmen; die meisten Besucher bringen sowieso genügend Zeit mit.“

Die Pflegerin wandte sich von der Katze ab. „Wir müssen nach rechts, bis zur Freianlage, dann an den gemauerten Boxen entlang, bis es nicht mehr weiter geht.“

Wahrscheinlich, um der Katze einen Gefallen zu erweisen, wies sie mit dem Arm auf eine Boxengruppe am Rande einer weitläufigen Wiese.

„Im Haus an der Lichtung haben wir viele trächtige Tiere untergebracht“, erklärte die Pflegerin und lief voraus. „Hier können sie ihre Ruhe ihrer Niederkunft“ – sie sagte tatsächlich „Niederkunft“ – „entgegen sehen, können sich im Vorderteil ihres Quartiers sonnen oder sich in das Halbdunkel im hinteren Teil der Box zurück ziehen.“

Ich schaute mich nach der Katze um, die hinter uns her bummelte.

„Will sie heute nicht?“, unterbrach ich die junge Frau und machte eine Kopfbewegung zur offensichtlich verhinderten „Führerin“.

„Oh doch; sie wartet nur ab, bis wir an der Freianlage sind. Dort gabelt sich der Weg.“

Kaum waren wir an der Kreuzung angelangt und bogen noch einmal rechts ab, stürzte die Katze an uns vorbei, gewann zwei Meter Vorsprung, stoppte ihren Lauf und stolzierte jetzt mit hoch erhobenem Schwanz, ganz unserer Schrittgeschwindigkeit angepasst, vor uns her zu den Boxen der schwangeren Hunde.

 

*

*

Während der Rückfahrt überkam mich ein merkwürdig zwiespältiges Gefühl; einerseits Erleichterung, als habe man mir eine große Last von den Schultern genommen, andererseits Bedauern, wiederum in die „Hundefalle“ getappt zu sein; was unter anderem hieß, erneut den Kalender des Nachbarn zu meinem eigenen zu machen. Doch je weiter ich mich vom Tierheim entfernte, um so mehr gewann Vorfreude die Oberhand. Kein totes Haus mehr, während ich über den Computer gebeugt arbeitete, sondern andauernde Störung durch einen, sicherlich bald lieb gewonnenen Hausgenossen, der zu Recht ein aktives Rudelleben einforderte. „Socke“ – kurzer Blick durch die Vorderscheiben auf die heller scheinenden Wolkenberge – musste damit einverstanden sein. Ihr konnte doch nicht der milde Blick der werdenden Mutter, einer mittelgroßen, unauffällig grau gezeichneten Schnauzerin, entgangen sein, selbst, wenn es bekanntlich ein weiter Weg bis ins Himmelreich ist.

Ich malte mir aus, wie die kleinen Biester – hoffentlich keine Gremlins – nach ihrer Geburt in sechs Wochen wohl aussehen würden. Zumal der für den „Unfall“ der Schnauzerin zuständige Hundevater unbekannt war, wie der Züchter versichert hatte, als er die Hündin ins Tierheim abschob.

Nun, Vater hin, Vater her – es würde ein prächtiger Wurf werden; bei der Mutter. Da war ich mir ganz sicher. Ich hatte ihr doch in die Augen gesehen, ihr seidiges Fell berührt, und ich könnte schwören, dass sie mich dabei angegrinst hatte. Nur unverbesserliche Nörgler würden darin eine Drohung vermuten. Andererseits, warum sollte nicht auch ein Hund einen komplizierten Charakter haben! Ich sollte mal mit „Socke“ darüber reden, irgendwann, in einem Traum. Vielleicht brauchte ja der neue kleine Freund einen Schutzengel. Bestimmt gab´s den auch in der Hundewelt. Und wenn „Socke“ gerade nichts anderes zu tun hätte ...

 

 

Wetterleuchten

 

Die letzte Nacht im Mai war dem Wetter ungewöhnlich schwül geraten; Menschen und Tiere – mehr als eine Woche vom verregneten Nachwinter gequält – hielt es nicht mehr in ihren Behausungen. Unser kleiner ländlicher Vorort vor den Toren der Großstadt dampfte förmlich vor Begeisterung über den erneut ausbrechenden Sommer. Blasse Gestalten versammelten sich spontan auf improvisierten Gartenfesten, abgezehrte, soeben aus dem Kongo zurückgekehrte Nachtigallen testeten erste Koloraturen, Hunde, vom Lärm in Alarmstimmung versetzt, kläfften über die gesetzlich verordnete Zeit von zwanzig Minuten hinaus. Und tief im Südwesten huschten die ersten Leuchtstreifen eines herauf ziehenden Sommergewitters über den Himmel.

Die überall spürbare erwartungsvolle Stimmung wirkte ansteckend auf mich. Da mir Gewitter nicht nur beruflich – als Meteorologe – „nahe standen“, sondern mich auch emotional faszinierten, setzte ich meinen Blitzzähler in Betrieb, holte mir einen Plastikstuhl und setzte mich – wie so oft vor einem Gewitter – unter den großen Birnbaum im Garten; von hier aus hatte ich den besten Blick auf das sich anbahnende Spektakel.

Die Nachbarn belächelten diese Leidenschaft.

 An Socke musste ich in dieser letzten Mainacht denken, an ihre Duldsamkeit, wenn der sintflutartige Regen ihr Fell bis auf die Haut durchnässt hatte, an ihre Tapferkeit, wenn sie nach jedem nahen Blitzschlag klagend ins Haus flüchtete und noch mit dem gerade ausrollenden Donner wieder an meiner Seite stand; nass und des nächsten Schlags harrend.

 Ich weiß nicht, ob Katzen in dieser Beziehung stoischer sind; die beispiellose Souveränität eines schwarzen Katers zum Beispiel, der noch vor der Adoption Sockes 21 Jahre lang unsere Familie begleitete, könnte das nahe legen; allerdings war er – wie ich – ein ausgewiesener Gewitterfreund! Eines Nachts, während eines furchtgebietenden Unwetters, hockte er auf dem metallenen Fenstersims unseres Schlafzimmers und schaute gebannt auf das Geflimmer am Himmel, als plötzlich ein Blitz vierzig Meter vom Haus entfernt in einen Weidenbaum fuhr. Durch die Fensterscheibe geschützt, sträubte mir die Gegenladung lediglich alle Körperhaare. Der Kater aber wurde von einer elektrischen Seitenentladung erfasst und fiel augenblicks wie ein Stein vom Sims und drei Meter tief auf das darunter liegende Schuppendach. Ich riss das Fenster auf, schaute ihm hinterher – auf der schwarzen Dachpappe war sein kleiner, bewegungsloser Körper kaum zu bemerken; nur, wenn ein weiterer Blitz aufflammte, ging ein glänzender Reflex vom Fell des Katers aus. Doch schon zwei, drei Minuten später verrieten die zwei winzigen spiegelnden Lichtpunkte seiner Augen, dass er wieder auf den Pfoten war. Noch ein wenig taumelnd robbte er einen halben Meter zurück, fixierte das offene Fenster, nahm Anlauf und landete unter dem blendenden Licht der nächsten elektrischen Entladung wieder auf seinem Hochsitz. Dort blieb er ungerührt sitzen, bis das Unwetter schließlich nach Osten abgezogen war.

Heute leisteten mir weder der Kater noch Socke Gesellschaft; vielleicht steckten sie ja dort irgendwo in ihren Himmeln, wahrscheinlich inmitten der heraufschwankenden Wolkentürme des Gewitters.

Trotzdem wusste ich aus Erfahrung, dass ich auch diesmal nicht lange allein sein würde. Seit Socke ihr Territorium nicht mehr verteidigen konnte, besuchten mich – wann immer sich Gelegenheit dazu bot – die vier Katzen meines Nachbarn. Tagsüber meist als Einzelgast, wobei sie den günstigen Moment wahrnahmen, um auf einem der frisch geharkten, das heißt zum Vergraben bestens vorbereiteten Beete gleich noch ihr Geschäft zu erledigen; nachts, wenn ich mit meinem Stuhl durch den Garten zog oder auch nur umher schlenderte, ganz in Familie. Wir waren einfach gute Freunde geworden; die Katzen schlossen dies nicht zuletzt aus der Tatsache, dass ich ihnen bei Abwesenheit des Nachbarn Futter reichte und sogar das Territorium ihres Chefs ungestraft betreten durfte. Nur Socke hatte unserer Freundschaft immer einen kleinen Stich versetzt, und so war die kleine Katzenfamilie in Freudentränen ausgebrochen, als die Hündin endlich in ihre Jagdgründe eingegangen war. Endlich gehörte der Stress, bei einem Besuch vom großen schwarzen Teufel am Schwanz erwischt zu werden, der Vergangenheit an; endlich war auch das Wort „Huund“, mit dem ich meine Katzenfreunde vor Sockes Ungestüm immer gewarnt hatte, irgendwo in der Vergangenheit verschwunden.

Und so hörte ich auch heute, während das ferne Wetterleuchten an Brillanz gewann, das feine Rascheln der Katzen, die sich gerade durch das Dickicht des Nachbargartens zwängten.

Wahrscheinlich waren es die drei schwarzen, die sich am besten verstanden und einander ähnlich sahen, weshalb sie von meinem Nachbarn praktischer Weise Molli I, II und III getauft worden waren.

Was sie nicht ahnten, war die ihnen bevorstehende Eröffnung, dass ich mich, in trauriger Erinnerung schwelgend, entschlossen hatte, erneut einen Hund als Hausgenossen aufzunehmen. Ich wartete noch einen Augenblick, bis wenigstens drei der Besucher den Sprung über den Zaun geschafft hatten und freundlich grüßend um meine Hosenbeine wuselten, dann sagte ich heiser „Jungs – wir werden wieder einen Hund haben.“

Gespannte Aufmerksamkeit. War es da wieder, das verhasste Wort?

„Es ist so“, sagte ich, „Huund!“

Eine Aura der Panik baute sich auf, verebbte fragend.

Molli I, die rabenschwarze Seniorin der Gruppe, die ich sogar in mondloser Nacht an ihrer weißen Schwanzspitze erkannte, fasste sich als erste: Aufmerksam durchforschten ihre Augen den düsteren Garten; aber außer dem fernen Wetterleuchten war nicht Beunruhigendes zu entdecken.

Molli II, ihr stiller, auch schon in die Jahre gekommener Sohn, ebenfalls schwarz wie ein Schatten, aber ohne den Fixstern an der Schwanzspitze, sprang mir beim Klang des Wortes „Huund“ erschrocken auf den Schoß und verdrehte fast akrobatisch die Ohren; doch auch er bemerkte im Garten kein Warnzeichen für den neuen Hund.

Nur seinen Cousin, Molli III, dem sein Vater ein paar weiße Kringel im Fell vererbt hatte, interessierte im Moment weniger der angekündigte neue Erbfeind der Familie, als vielmehr ein grauer Vollblutkater, der – gedeckt durch die tief hängenden Zweige einer nahen Fichte – unsere Gruppe belauerte.

Der Graue, unter fremden weiblichen Katzen des Ressorts als „Feger“ verehrt, war die Nummer vier im Haushalt; eigentlich ein kranker und verlauster Findling, der aber dem Nachbarn so lange schöne Augen gemacht hatte, bis dieser sich erbarmte und ihm mit einer Milch- und Breiaktion wieder auf die Beine geholfen hatte. Inzwischen war er gesünder als jede der anderen drei Katzen, hatte sich häuslich eingerichtet und schließlich kämpfend seinen Schlafplatz aus der kalten Veranda ins Zentrum der Macht, die Küche, verlegt. Seinen Ziehvater ließ er dann keinen Moment mehr aus den Augen und prügelte, um den erworbenen Rang zu stabilisieren, die Katzenfamilie präventiv und regelmäßig durch.

In Würdigung dieser Eigenheit und des Umstands, dass er verwandtschaftlich nicht zur Molli-Familie gehörte, hatte ihn mein Nachbar „Blödmann“ getauft.

 

Blödmann war inzwischen des Wartens überdrüssig, hechtete vorwärts, fuhr die Krallen aus und hieb sie auf das einzige sehtüchtige Auge von Molli III, worauf dieser in herzzerreißendes Schreien ausbrach. Um das sich anbahnende Chaos zu verhindern, packte ich den Grauen am Genick und hob sein plattes Gesicht vor meine Augen. „Pass auf“, sagte ich streng, „leg Dir in meiner Gegenwart ein besseres Benehmen zu, sonst erzähl ich’s dem neuen Hund.“

„Was“, staunte der Feger, weil er meinen Vortrag nicht mit angehört hatte, „ein neuer Hund? Ein Huund?“ Schon wieder dieses gefährliche Wort. Molli I, die sich erneut an hunderte Fluchten vor Socke erinnerte, richtete den bestürzten Blick auf mich. „Keine Angst“, beruhigte ich sie, „erstmal, verstehst du?, erstmal wird es noch ein Hundebaby sein. Du könntest also versuchen, dich mit ihm anzufreunden. Für’s Leben. Leck ihm meinetwegen die Schnauze; du wirst schon wissen, was bei einem Krabbelhund gut ankommt.“

„Zweitens“, sagte ich etwas lauter und dachte dabei an die Vorlieben meiner Frau, „wird der neue Hund – wenn er nach einem Jahr erwachsen ist – nur halb so groß wie meine Freundin Socke sein; überragt Euch also nur um ein paar Zentimeter.“

„Ho, ho“, warf der graue Feger ein und ließ die Augen über den flackernden Garten schweifen; das Territorium würde also weiterhin unter seiner Herrschaft stehen.

„Freu’ dich nicht zu früh“, warnte ich, „die Kleine wird nicht nur eine gnadenlose „sie“ wie Socke sein, die wie alle Hündinnen Kleinholz aus Euch macht, wenn Ihr sie ärgert, sondern sie soll auch lustig, lebhaft und kampfbegeistert sein. Sagt meine Frau.“

Die Katzenfamilie schwieg bedrückt; Molli I machte sich als erste auf den Heimweg.

„Lasst die Schwänze nicht hängen“, rief ich ihnen nach, „versucht es mit guter Nachbarschaft.“

Von Südwesten trug der Wind Donnergrollen heran. Talergroße Regentropfen begannen zu fallen. Ich richtete mich auf eine lange und spannende Gewitternacht ein.

 

 

 

Kindereien

 

Monate später – der Sommer rang noch mit dem „Siebenschläfer“-Desaster – meldete sich das Tierheim wieder.

„Unsere Schnauzerin hat vor einiger Zeit geworfen“, berichtete die Pflegerin. „Sind Sie noch interessiert?“

Welche Frage!

Zwei Tage darauf bestaunte ich den Wurf.

 

 *

 

„Erziehung gleich Null!“, bemerkt die Pflegerin und schaut belustigt auf vier kleine Hunde, die im Sand der Box herumwuseln, mit dünnen Stimmchen quäken und knurren.

„Der Schwarze, der Rüde mit der grauen Puschelrute, ist der „Chef“; die Damen mit einem Stummel von Schwanz und braun gestreifter Flanke sind ihm hörig; egal, welcher Unsinn ihm gerade einfällt.

Die dritte Schwester, ebenfalls braun getupft, aber zusätzlich mit einem beigefarbenen Kreuz auf der Brust verziert und einem noch prachtvolleren Schwanz als der Rüde, nimmt es hin und wieder mit dem „Chef“ auf; hat nur nicht dessen Körperkraft. Da sie ziemlich intelligent scheint, geht sie dem Bruder tagsüber meist aus dem Weg und beißt ihm dafür nachts, wenn er gerade eingeschlafen ist, ins Ohr oder in die Pfote. Wenn sie 'rankommt – auch in die Hinterschenkel. Oh, ist das dann ein Spektakel!“

„Alles derselbe Wurf?“

„Ja, witzig, nicht wahr? Vor allem die beiden Stummelschwänze, Reste irgendeiner Züchterlaune; und das seltene Temperament der beiden Rivalen natürlich.“

Ich halte Ausschau nach der schönen Schwester und entdecke das Hundebaby am Sims des vergitterten Fensters, hoch aufgerichtet, die Vorderpfoten auf der Brüstung, ab und zu durch die Stäbe nach der weißen Leitkatze angelnd, die sich – da sie nicht in den Kindergarten eingelassen wird – den besten Beobachtersitz gesichert hat. Die Katze ignoriert alle Annäherungsversuche; erst, als ihr ein inzwischen ausgebrochenes Geschrei in der Box das Gehör zu ruinieren droht, lässt sie sich zu einem kurzen Fauchen herab. Sichtlich zufrieden über ihren eingebildeten Erfolg wendet sich das Hundemädchen vom Gitter ab – und grinst; wahrhaftig – diesen Gesichtsausdruck sollte ich später noch oft an ihr wahrnehmen, wenn sie auf Raufereien aus war; selbstverständlich nur mit Wesen, von denen sie nichts zu befürchten hatte, die vorher „Kindchen“ zu ihr sagten, ihr eine Leckerei zugeschoben oder ihrem Drang zur Schmuserei nachgegeben hatten.

In diesem Augenblick jedoch nehme ich nur jenes eigentümlich verzogene Gesichtchen eines kleinen Hundes wahr, den fliehenden Unterkiefer vorgeschoben, winzige Zähne entblößt, die Mundwinkel erstaunlich in die Höhe gezogen, grinsend; ein glückliches Geschöpf.

Ihr Bruder hat ganz andere Sorgen; er springt in den Wassernapf, versucht ihn umzustülpen, schafft es nicht, steckt den Kopf hinein und prustet, dass die Brühe Blasen schlägt, stürmt auf seine beiden verängstigten Schwestern zu, treibt sie zum Napf, ihm zu helfen – aber die beiden verstehen das Theater nicht. Alles Zwicken nutzt nichts.

Plötzlich – mit einem Ruck – bleibt er stehen und fixiert die Pflegerin und mich mit den Augen, kommt langsam heran, wedelt zögernd mit dem Schwanz, und als ich ihm langsam und vorsichtig meine Hand entgegenstrecke, schnuppert er an ihr, dreht sich um – und springt erneut in den Wassernapf.

„Wenig kommunikativ“, bemerke ich enttäuscht und bin mir bewusst, wie albern es ist, von der fremden Kreatur irgendeinen Beweis der Zuneigung zu erwarten.

„Ach was“, sagt die Pflegerin, „dem fehlt es an Anstand und Erziehung.“ Und lacht.

„Erziehung?“

„Die Mutter der Viererbande kennen Sie ja – die zarte kleine Schnauzerin. Hat sich mit einem unbekannten Raufbold eingelassen – und bekam die Brut vom ersten Tag an nicht unter Kontrolle. Alle tranken unentwegt ihre Milch, waren nicht satt zu kriegen, führten sich auf, als würden sie kurz vor dem Hungertod stehen. Versuchte die Schnauzerin, sie wegzudrücken, schrien sie zum Stein erweichen, krabbelten über ihren Kopf, versuchten sie zu kneifen oder schlugen ihr die Pfoten auf die Nase; stand sie endlich auf, prügelten sich die Geschwister untereinander. Kurz, es war für die Schnauzerin und auch für uns eine unmögliche Situation.“

Verhält einen Moment, kraust die Nase.

„Ich glaube, ziemlich genau sind heute zwölf Wochen seit der Geburt vergangen; vor ein paar Tagen haben wir die Mutter von der Bande befreit. Sie fraß nicht mehr, dämmerte nur noch vor sich hin, mager wie der Wind. Natürlich kam die Trennung viel zu früh. Abgesehen davon, dass die Hündin ohnehin keine Milch mehr hergab, hätten die Welpen eigentlich Erziehung gebraucht, von der Mama lernen müssen, was Bindung der Artgenossen untereinander bedeutete, was Gehorsam zum Wohle des Rudels heißt, hätten eine härtere Pfote gebraucht ..... auch, wie man flüssige oder festere Nahrung zu sich nimmt, später vielleicht, wie man sich im Freien bewegt, was es mit Spinnen, Wespen oder Regenwürmern auf sich hat, dass man den Himmel zu beobachten hat, falls ein Raubvogel seine Kreise zieht, wie man seine Muskeln trainiert. Alles Makulatur. Jetzt brauchen die Welpen eine neue, eine menschliche Höhle, um sich auf ihr kleines, hoffentlich glückliches Leben vorzubereiten.“

„Na“, werfe ich ein, „glauben Sie, dass der „Chef“ einmal irgendwelchen Rat annimmt?“

„Doch, ja, er ist ja noch so lütt. Aber Geduld braucht der Mensch, der ihn in seine Höhle einlässt. Vielleicht vergehen dann ein oder zwei Jahre, bis der Chef endlich einsieht, dass es über ihm noch einen Gott gibt. Aber – es sollte schon ein Hundeflüsterer sein.“

 

 *

 

Zwei Tage später besuchte ich die Welpen erneut. Sie schlugen sich gerade um die Reste eines Vitaminbreis; aus Prinzip, wie mir die Pflegerin erzählte, denn eigentlich verabscheuten alle vier den Geschmack dieser nützlichen Speise.

Ich öffnete die Gattertür, setzte mich in die Ecke und begann, eine Geschichte zu erzählen, alles, was mir gerade einfiel, vom kleinen Jungen, den sein Vater ins Wasser warf, damit er unverzüglich das Schwimmen erlernte, über die Temperatur-Anomalie der Seen, den Mond, die Kosten einer Weltraumstation – und dass ich sie alle vier hier – ohne Ausnahme – fürchterlich lieb hatte.

Eine Weile kümmerten sie sich nicht um mein Geschwätz. Dann reagierte der „Chef“, dem meine Anwesenheit auf seinem Territorium missfiel, und begann, mit den Hinterpfoten Sand gegen mich zu schleudern. Die Stummelschwänzigen taperten um ihn herum und wussten nicht so recht, was von ihnen erwartet wurde. Die Rivalin des „Chefs“ nutzte die Gunst der Stunde und würgte erst einmal die schleimigen Überreste des umkämpften Vitaminbreis allein herunter.

Eines der anderen beiden Hundemädchen begann sich allerdings für meine Geschichte zu erwärmen; ich behandelte gerade die Rolle der Sonnenflecken bei der Erdklimaerwärmung. Sie rückte näher heran, zunehmend überpudert vom Sand des immer noch schleudernden „Chefs“ ... Ich schaute weiterhin vor mich hin, auf meine Knie, um die Kleine nicht mit meinem Blick zu ängstigen, und murmelte, dass die Protuberanzen der Sonne vom Erdmagnetfeld abgeblockt würden.

In diesem Moment nahm ich aus den Augenwinkeln eine entschlossen wirkende Bewegung wahr: die Rivalin des „Chefs“ – aus der mutigen Unternehmung ihrer Mitschwester schließend, dass ich keine Bedrohung darstellte – trippelte so schnell sie konnte auf mich zu, warf die Stummelschwänzige mit einem Hüftschwung aus der Bahn, setzte sich vor mich hin und wartete, dass ich sie ansah. „Bald wird der magnetische Nordpol in Sibirien ankommen“, informierte ich sie, „und schön wär's, wenn wir beide bald zu meiner Höhle führen.“

Ich schaute in die zaghaften und gleichzeitig ein wenig frech wirkenden Augen des Hundemädchens.

Irgendwo, in der hintersten Ablage meines Kopfes stoben blasse, unscharfe Bildchen auf, ein Birnbaum, ein früher Herbststurm, drei stämmige Welpen, die auf herabfallende Früchte zuwackelten. Und ein damals jüngerer Mann, der jüngere Geschichten erfand. Als er sich in Gras hockte, ließ eines der Tierkinder von seiner Birne ab, starrte das fremde Wesen unverwandt an; große braune Augen aus einer anderen Welt. „Wimpern, sieh die langen Wimpern.“ Die Frau an der Seite des Mannes. „Ein Mädchen“, sagte die Züchterin. Das Hundekind würgte an der Birnenschale, schwankte auf den Mann zu – drei schwarze Pfoten und eine weiße. Das Paar nannte sie „Socke“; eine lange Freundin. Unser erster Hund.

Ich verstaute die Bildchen sorgfältig, markierte die Erinnerung. Vielleicht würde ich ja die Geschichte eines Tages diesem temperamentvollen Hundemädchen aus der Box des Tierheims von W. vortragen. Wenn sie daran Interesse hatte, natürlich.

Noch einmal, zwei Tage später, fuhr ich vormittags „auf Besuch“; diesmal in Begleitung meiner Frau, die das neue, potenzielle Familienmitglied vor seiner Quartiernahme am heimischen Herd in seiner eigenen Kinderstube studieren wollte.

Ein schwieriges Unterfangen, wie sich herausstellte. In der Box heulten nur noch die Stummelschwänzigen; der „Chef“ war soeben einem Reinigungsteam entkommen und fraß im Nebengelass mit fünf Dalmatiner-Welpen aus einer Futterschütte, zettelte, als er uns bemerkte, gerade eine Rauferei an und fiel anschließend in einen Wassereimer.

Jetzt sah er einem ertrunkenen Wischmopp ähnlich, stöhnte und zappelte zwischen den Falten eines Badetuchs, in das ihn die herbeistürzende Pflegerin gewickelt hatte.

„Sie sehen ja“, sagte die Frau außer Atem, „keine Erziehung!“

Der „Chef“ genoss inzwischen den warmen Atem eines Haarföhns, der sein Fell wie das Gefieder einer Amsel im Regen aufplusterte, plumpste in sein Sandreich zurück und jagte die stummelschwänzigen Schwestern in ihre Ecken.

„Vermute, er hat sein Gesicht verloren“, unkte die Pflegerin, pfiff auf zwei Fingern und verfolgte mit sportlichem Interesse, wie endlich auch die Rivalin des Rüden in die Box schwankte, sich die blanken schwarzen Lippen leckte, von unten einen Blick auf den Bruder warf, ihn zu taxieren schien. Unversehens ein Ausfallschritt gegen den „Chef“; in der Kehle des Rüden rasselte es drohend. Pfoten noch wie festgeschraubt, für Sekunden.

„Ich geh' dann mal“, sagte ich wie nebenbei, zwängte mich rasch durch die Gatteröffnung, hockte mich in den Sand.

„Wenn der magnetische Nordpol in Sibirien angekommen ist ... ich glaube, hier waren wir stehen geblieben“, murmelte ich, den Blick auf die beiden Kontrahenten gerichtet.

Sofort hielt das Hundemädchen inne, drehte sich um – und hoppelte eilends auf mich zu.

Meine Frau streckte den Arm durch das Holzgitter.

„Bist du ein mutiges Mädchen“, lobte sie den Welpen und kraulte ihn unter dem Hals. Die Schwester des „Chefs“ schien unter der Berührung der warmen Hand immer länger zu werden.

„Sie ist begeistert“, sagte die Pflegerin ein wenig neidisch, und legte selbst Hand an. „Jetzt hast du wenigstens eine richtige große Schwester.“

Die kleine Schwester schniefte dünn und aufgeregt.

Am darauf folgenden Wochenende holte ich sie in ihr künftiges Zuhause.

Abgesehen von der – für arglose Hundesinne schrecklichen – Ausfahrt mit einem dröhnenden und schlecht riechenden Auto, in das mindestens hundert weitere Welpen gepasst hätten, der Trennung von „Haus und Hof“, überstand das Hundemädchen den Transport zufriedenstellend; nicht zuletzt dank meines freundlichen Gartennachbarn, der als Babysitter auf dem Hintersitz mitfuhr, den Winzling schaukelte und mit flotten Sprüchen „Meine Katzen haben noch nie kleine Hunde gefressen“ bei Laune hielt.

Zwei Dinge nahm der Hundezwerg – wie sich zeigen sollte – in sein künftiges Leben mit; erstens: Autos müssen auf jeden Fall verbellt, wenn die Gelegenheit günstig ist, und auch angegriffen werden – besonders große oder schnell fahrende; zweitens: mit diesem Nachbarn kann ich machen, was ich will; der riecht nach Katze!